Karoline Bachmann

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Reizdarmsyndrom: Hilft (Intervall-)Fasten bei Reizdarm?

Untersuchungen zufolge sind in Deutschland bis zu 16,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einem Reizdarm betroffen. Das sind fast 11 Millionen Reizdarmpatienten. Zu den Symptomen gehören Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung. 

Bei solch unangenehmen Verdauungsbeschwerden sucht man natürlich nach einer Lösung. Vielleicht hast du dich auch schon gefragt, ob Fasten hilft, dein Reizdarmsyndrom in den Griff zu kriegen? Insbesondere intermittierendes Fasten (Intervallfasten) ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Doch funktioniert Intervallfasten bei Reizdarm?

Kurzer Exkurs: Definition intermittierendes Fasten

Intermittierendes Fasten (Intervallfasten) kann als Einschränkung von Nahrung und kalorienhaltigen Getränken von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen definiert werden. 

Die drei häufigsten Versionen des intermittierenden Fastens sind:

Es gibt ein paar Erfolgsgeschichten im Internet. Einige Reizdarmpatienten scheinen ihre Symptome und Verdauungsbeschwerden mit Intervallfasten verbessern zu können.


Deshalb könnte Intervallfasten Reizdarmbeschwerden verbessern

Fasten wird mit entzündungshemmenden, darmheilenden Vorteilen durch die Aktivierung der Autophagie in Verbindung gebracht (ein natürlicher Prozess, durch den geschädigte Zellen abgebaut werden und sich selbst verjüngen). Theoretisch könnte dies positive Auswirkungen auf das Reizdarmsyndrom haben.

Außerdem findet zwischen den Phasen, in denen du etwas isst, ein mechanischer Bewegungs-Komplex im Magen-Darm-Trakt statt. Diese “Reinigungswellen” (auch migrierende motorische Komplex genannt) treten etwa alle 90-180 Minuten zwischen den Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten auf. Dabei zieht sich der Magen zusammen und wellenartige Bewegungen gehen durch den Dünndarm. Diese bewegen Nahrung durch den Verdauungstrakt.

Im nüchternen Zustand sorgen das Zusammenziehen des Magens und das Ausstoßen des Mageninhalts in den Dünndarm übrigens für Magenknurren, da dann Luft in den Dünndarm gedrückt wird.

Es sind diese “Reinigungswellen”, von denen einige Leute sagen, dass sie zu den positiven Effekten des Fastens beim Reizdarmsyndrom beitragen. Es wurde viel über diesen Bewegungskomplex geforscht, doch über seine Rolle bei der Minimierung der Symptome des Reizdarm selbst gibt es noch keine wissenschaftlichen Beweise.

Theoretisch könnte es sein, dass längere Zeiten, in denen man nichts isst, diesen Bewegungsmechanismus des Magen-Darm-Trakt fördern. Das wiederum könnte zur Verbesserung der Reizdarmsymptome beitragen, wenn eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms (Englisch small intestinal overgrowth, SIBO) die Ursache deines Reizdarms ist. 


Deshalb könnte Intervallfasten bei Reizdarm nicht hilfreich sein

Intervallfasten wird dir mit deinem Reizdarmsyndrom nicht helfen, wenn deine Fastenperioden letztlich zum Verzehr größerer Portionen am Ende des Fastens führen.

Das ist bei einigen Menschen der Fall und insbesondere Reizdarmpatienten reagieren mit unangenehmen Beschwerden auf große Portionen.

Verschiedene Leitlinien von Ernährungsgesellschaften und medizinischen Verbänden raten von Intervallfasten bei Reizdarm ab. Sie empfehlen stattdessen regelmäßige, kleinere Mahlzeiten über den gesamten Tag verteilt.

Denn ein übermäßiges Nahrungsvolumen im oberen Magen-Darm-Trakt kann bei Reizdarmpatienten Symptome auslösen. Intervallfasten kann also deutlich nach hinten losgehen, wenn es zu einer Rechtfertigung für eine übermäßige Nahrungsaufnahme später am Tag wird.

Sehr viele Reizdarm-Betroffene haben einen überempfindlichen Darm, der sowohl negativ auf große Portionen als auch auch auf starken Hunger reagiert. 

Zu den Symptomen ausgelöst durch Hungerphasen können gehören:

  • Bauchschmerzen

  • Bauchkrämpfe

  • Übelkeit

  • saures Aufstoßen

  • unangenehmes Magengrummeln

Wenn du zu den Personen gehörst, die so auf Hungerphasen reagiert, dann können kleinere, regelmäßige Mahlzeiten für dich empfehlenswerter sein als der aktuelle Trend Intervallfasten. 


Gibt es wissenschaftliche Beweise, dass längeres Fasten das Reizdarmsyndrom verbessert?

Es gibt nur eine klinische Studie aus dem Jahr 2006, die in Japan stattfand und die Auswirkungen eines mehrtägigen Fastens auf die Symptome des Reizdarmsyndroms untersuchte.

HIER SIND DIE DETAILS DIESER FASTEN-REIZDARM-STUDIE:

  • 58 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Reizdarmsyndrom wurden eingeschlossen.

  • 36 Patienten machten eine zehntägige Wasserfastenkur und bekamen zusätzlich einige Nährstoffe direkt in die Venen verabreicht.

  • Die anderen 22 Patienten erhielten eine Basisbehandlung, die sich aus Medikamenten und einer kurzen Psychotherapie zusammensetzte.

DIE ERGEBNISSE DER FASTEN-REIZDARM-STUDIE::

  • Die Fastengruppe hatte signifikante Verbesserungen bei sieben von zehn Reizdarm Symptomen, darunter Durchfall, aufgeblähter Bauch, Bauchschmerzen, Übelkeit, verminderter Appetit, Angstzustände und Beeinträchtigung der Lebensqualität.

  • Die andere Gruppe, die ihre normale Ernährung beibehielt plus die Basistherapie aus Medikamenten und Psychotherapie erhielt, berichtete über Verbesserungen bei drei dieser acht Symptome. Dabei handelte es sich um Bauchschmerzen, aufgeblähter Bauch und Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Nach dem Fasten bekamen die Patienten langsam wieder Nahrung mit ungefähr 300 bis 2100 Kalorien pro Tag, um Komplikationen wie Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen zu verhindern. Denn dieses Risiko besteht, wenn man sieben Tage oder länger ohne jegliche Nahrung verbringt. Deshalb sollte man ohne Erfahrung oder Expertenanleitung länger fasten, sondern vorher mit einem Arzt oder ausgebildeten Fasten-Therapeuten sprechen. 

Das längere Fasten hatte in dieser einen Studie also einen positiven Effekt. Allerdings ist mehrtägiges Wasserfasten mit einem gewissen Risiko verbunden und nicht so leicht in den Alltag zu integrieren wie eine Ernährungsumstellung.

Deswegen empfehle ich meinen KundInnen kein Langzeitfasten auf eigene Faust. 

Fazit zu Fasten bei Reizdarmsyndrom

Während im Internet einige Erfolgsgeschichten zu Reizdarm und Fasten zu finden sind, ist die wissenschaftliche Beweislage zur Linderung von Reizdarms-Symptomen durch (Intervall-)Fasten minimal. Weitere Studien sind definitiv erforderlich. 

Für dich bedeutet das, dass du Intervallfasten natürlich ausprobieren kannst, aber die Reaktion deines Körpers ganz genau beobachten solltest. Wenn du mit heftigen Symptomen reagierst, dann ist Intervallfasten im Moment einfach nichts für deinen Körper. Jeder Körper reagiert anders. Nur weil Intervallfasten ein Trend ist, der bei anderen gesundheitlichen Themen positive Auswirkungen hat, muss es nicht auch für dich das Richtige sein. 

Ich empfehle dir eine gezielte Ernährungsumstellung, um die Symptome deines Reizdarms zu lindern. Wenn du dabei Hilfe brauchst, dann kannst du dich gerne mit mir in Verbindung setzen.

Hast du schon mal Fasten oder Intervallfasten zur Verbesserung von Verdauungsproblemen oder Reizdarmsymptomen ausprobiert? Was waren deine Erfahrungen?

Quellen:

Kanazawa M, et al. (2006). Effects of fasting therapy on irritable bowel syndrome. DOI: 1207/s15327558ijbm1303_4

Pimentel, M., Soffer, E.E., Chow, E.J. et al. Lower Frequency of MMC Is Found in IBS Subjects with Abnormal Lactulose Breath Test, Suggesting Bacterial Overgrowth. Dig Dis Sci 47, 2639–2643 (2002). https://doi.org/10.1023/A:1021039032413

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